Im Grunde bekam Sankt Petersburg das Ballett in die Wiege gelegt. 1734, also nur wenige Jahre nach Gründung der Stadt, exportierte der Franzose Jean-Baptist Lande die hohe Kunst des Körperausdrucks in Richtung Russland. Rasch kam es in Moskau und St. Petersburg zur Gründung bedeutender Ballettschulen, deren Schüler fortan im Gleichschritt um die Gunst des Publikums konkurrierten.

Das Alexandrinski-Theater am Ostrowski-Platz. Weltweit eine der ältesten Adressen.

Dies waren die Geburtsjahre des so genannten Russischen Balletts, das seinen exzellenten Ruf bis in die Gegenwart hinein bewahren konnte. Es setzte Maßstäbe in Sachen Körperbeherrschung, Ausdruckskraft und Präzision. Doch waren es zunächst fast ausschließlich zugewanderte Künstler aus Frankreich oder Italien, denen die Ovationen des Publikums zuteil wurden.

Marius Petipa (1819–1910) bescherte dem Petersburger Ballett in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich einen nie für möglich gehaltenen Aufschwung. Von der Kaiserlichen Ballettschule Sankt Petersburg aus schaffte es der französische Regisseur und Tanzlehrer, auch russische Künstler in der Weltspitze zu etablieren. Zu seinen Schülerinnen zählte unter anderem Anna Pawlowa (1881-1931), noch heute ein Inbegriff für Anmut und tänzerische Präzision.

Anna Pawlowa, 1908. Ihr Anmut faszinierte das internationale Ballett-Publikum.

Von nun an eroberte das Russische Ballett im Sturm die Welt. Die gefeierten Stars kamen fast ausschließlich aus Petersburg oder Moskau, und es zeigte sich, mit welch nachhaltigem Erfolg sich die Aufbauarbeit der vorangegangenen Jahrzehnte bezahlt machen sollte. Weitere Berühmtheiten dieser ersten Welle des Erfolges waren Wazlaw F. Nischinski (1889-1950), George Balanchine (1904-1983) und Michail M. Fokin (1880-1942), der wohl bedeutendste Choreograf seiner Zeit.

In der Sowjetära konnte sich das Russische Ballett einer zunehmenden Politisierung nicht entziehen. Zwar rissen die Ensembles aus Moskau und Sankt Petersburg (Kirov-Ballett) das internationale Publikum wie eh und je von den Sitzen. Aber viele der russischen Stars fühlten sich in ihrem künstlerischen Wirken durch das autoritäre System eingeengt, zu eingeengt sogar. Als Konsequenz kam es zu prominenten „Überläufen“. 1961 kehrte zunächst Weltstar Rudolf Nurejev nicht von einer Auslandstournee heim. Michail Baryschnikow und einige weitere namhafte Tänzer folgten wenig später seinem Beispiel.

Wazlaw F. Nischinski um 1910. Virtuosität und Sprungkraft prägten seinen Stil.

Zum Erliegen kam das Russische Ballett jedoch nie. Im Gegenteil sogar: Nach wie vor zählen Moskau und Sankt Petersburg zu den besten Adressen der Welt. Noch immer sind es russische Tänzer, die klassisches Ballett in nahezu vollendeter Form darbieten.

Bekannteste Adresse des Petersburger Balletts ist unbestritten das Marinskij-Theater, dem internationalen Publikum eher geläufig unter seiner alten Bezeichnung Kirov-Ballett. Gegründet wurde das legendäre Musikhaus 1860, um sich im Laufe der Jahre zu einem Publikumsmagneten der Extraklasse zu entwickeln. Sollte es der Spielplan zeitlich zulassen, könnte ein Besuch des Hauses zum Höhepunkt Ihrer Reise nach Sankt Petersburg werden.

 

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Weiterführende Links:
» Mariinsky-Theater (Offizielle Website des Hauses, aktuelle Spielpläne…)
» Alexandrinsky-Theater (Offizielle Homepage)