An der ehemaligen Zarenresidenz Oranienbaum (heute: Lomonossow) sind die Jahre keineswegs spurlos vorübergegangen. Im Vergleich zu den benachbarten Hochglanzresidenzen Peterhof und Konstantinpalast kommt die ebenfalls direkt am Finnischen Meerbusen gelegene Anlage aus dem frühen 18. Jahrhundert eher verwildert daher. Alles bröckelt und bleicht ein wenig vor sich hin. Für umfassende Renovierungsarbeiten fehlte zuletzt offenbar das nötige Kleingeld.

Leicht verwildert, aber dennoch umso reizvoller: Oranienbaum.

Dennoch fühlt man sich auf dem mit einem schönen Park ausgestatteten Gelände auf Anhieb wohl. Oranienbaum strahlt sehr viel Ruhe aus. Die Natur bestimmt das Geschehen, und selbst an Sommertagen sind keine Touristenmassen zu befürchten. Wer Entspannung sucht, wird sie hier finden. – Oranienbaum ist damit als Ziel von Tagestouren geradezu prädestiniert.

Wer mit dem Regionalzug (Elektritschka) aus Sankt Petersburg anreist, begibt sich am besten zur weithin sichtbaren Kathedrale des Ortes. An der Vorderfront des stattlichen Gotteshauses befindet sich der Eingang zum Park. Geschwungene Wege, viel Grün und der Große Palast, das Haupthaus der ehemaligen Zarenresidenz, sind die ersten sich bietenden Eindrücke. Der Rundgang kann beginnen…

Alexander Menschikow (1672-1729): Gestalter Oranienbaums, Freund Peters des Großen.

Der Große Palast, 1710 von Alexander Menschikow (1672-1729), dem zwielichtigen Intimus Peters der Großen, in Auftrag gegeben, thront auf einem Hügel oberhalb des Sees. Links und rechts der Vorderseite erstrecken sich lang gezogen die Seitentrakte des Gebäudes. Man ahnt, dass hier beim Bau nicht gespart wurde. Umso erstaunlicher jedoch, in welchem Zustand sich der Komplex heute befindet.

Der Putz zeigt deutliche Spuren von Verwitterung, und auch der gelb-weiße Anstrich hat seine Leuchtkraft nahezu eingebüßt. Kurzum: Eine grundlegende Sanierung des Mauerwerks stünde der Szenerie gut zu Gesicht. Im Inneren des Palastes geht es ebenfalls eher unspektakulär zu. Von Zeit zu Zeit werden Gemälde zur Besichtigung ausgestellt. Ansonsten konnte der Palast seine ehemals zentrale Rolle nicht bis in die Gegenwart transportieren. Störend ist dies freilich nicht.

Wappen der Residenz, der Orangenbaum.

Denn rund um das Gebäude erstreckt sich eine Parklandschaft, an der man sich je nach Jahreszeit und Wetter gar nicht sattsehen kann. Ähnlich der im Südosten von Sankt Petersburg gelegenen Residenz Pawlowsk lässt sie in Oranienbaum die sonst so typische Struktur zaristischer Außenanlagen vermissen. Zwar gibt es gerade auch im Oberen Park Anzeichen minutiös umgesetzter Planungen, doch das Gesamtbild bleibt natürlich, ungezwungen und hier und da ein wenig improvisiert.

So vor allem im Unteren Park. Gewundene Wege und Wasser sind für das Gesamtbild dieses Bereiches charakteristisch. Rund 250 Meter vom Großen Palast entfernt befindet sich – leicht verborgen – das Schlösschen Peters III., ein kleiner Prachtbau, der ebenfalls besichtigt werden kann. Die Räumlichkeiten sind üppig ausgestattet. Zudem passt auch hier das Zusammenspiel von Architektur und Landschaft. Sehr reizvoll…

Passend: Bereits das Stadttor von Lomonossow bewegt sich zwischen schön und baufällig.

Heimlicher Star der Anlage ist jedoch der Chinesische Palast. Er liegt im oberen Teil des Parks, ein gutes Stück von den zuletzt beschriebenen Sehenswürdigkeiten in Oranienbaum entfernt. Es handelt sich um einen Privatsitz Katharinas der Großen, die das Gebäude von 1762 bis 1768 im Rokoko-Stil errichten ließ.

Dem Namen entsprechend, finden sich im Inneren zahlreiche Dekorelemente mit fernöstlichem Bezug. Glänzende Seide, edle Hölzer, kunstvoll verzierte Täfelungen und das typische Porzellan sorgen für eine leicht kitschige, aber umso schönere Atmosphäre. Und auch äußerlich ist der Bau ein echter Gewinn – ein weiterer Beweis für die große Liebe der Zarin zum Detail.

 

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