Es gibt in der Geschichte der Menschheit wohl nur wenige Kunstschätze, um die sich derart viele Gerüchte und Theorien ranken, wie das gegen Ende des 2. Weltkriegs spurlos verloren gegangene Bernsteinzimmer.

Katharinenpalast zu Zarskoje Selo, Heimat des sagenhaften Bernsteinzimmers.

Das „Achte Weltwunder“, wie die aus fossilen Schmucksteinen in präziser Handarbeit gefertigten Wandvertäfelungen auch genannt wurden, war im Oktober 1941 von deutschen Soldaten aus dem bei Sankt Petersburg gelegenen Katharinenpalast nach Königsberg gebracht worden. Hier verschwand das Zimmer in den Wirren der letzten Kriegstage auf bislang ungeklärte Weise.

Die Vorgeschichte: Einst – es war die erste Dekade des 18. Jahrhunderts – bekamen drei angesehene mitteleuropäische Kunsthandwerker den Auftrag, ein mit kostbarem Bernstein verkleidetes Zimmer für das Charlottenburger Schloss zu konzipieren. Dort jedoch wurde es nie eingebaut und landete 1716 als Geschenk von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. in den dankbaren Händen des russischen Zaren.

Kleiner Ausschnitt des Gesamtwerks. Filigrane Kunst.

Peter der Große, bekannt auch als Freund der Künste, ließ das Bernsteinzimmer im durchaus skurrilen Tausch gegen rund 250 hoch gewachsene Leibgardisten nach Sankt Petersburg bringen, wo es nach einigen Umwegen erst 1741 im außerhalb der Stadt gelegenen Katharinenpalast montiert wurde – exakt bis zu jenem 14. Oktober 1941.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der 2. Weltkrieg längst auch die Tore Sankt Petersburgs erreicht. Die Stadt wurde auf erbarmungslose Art und Weise von deutschen Truppen belagert und ausgehungert – eine Epoche, in der nur das nackte Überleben zählte. Das Bernsteinzimmer wurde für die Wehrmacht zur leichten Beute.

Nach sorgfältiger Demontage wurden die kostbaren Vertäfelungen in Kisten verstaut und auf direktem Wege nach Königsberg transportiert. Zwar präsentierte man die kostbare Kriegsbeute im hiesigen Schloss nochmals der Öffentlichkeit. Doch seine Spur verliert sich irgendwann im Frühjahr des Jahres 1945 im Chaos der herannahenden Ostfront.

Perfekte Rekonstruktion: Das 2003 (hoffentlich letztmalig) eingeweihte Bernsteinzimmer.

Von nun an setzte großes Rätselraten ein: War das Bernsteinzimmer verbrannt? Versank es als Fracht eines torpedierten Frachtschiffes in der Ostsee? Wurde es zu seinem Schutz in unterirdische Stollen gebracht oder an einem anderen geheimen Ort versteckt? Die Theorien und Vermutungen um den Verbleib des Zimmers wollten auch Jahrzehnte später nie abbrechen. Bloß gefunden wurde es bis heute nicht.

Um den Glanz der Vergangenheit dennoch erwachen zu lassen, begann man bereits Ende der 70er Jahre mit einer originalgetreuen, nicht minder kostbaren Rekonstruktion des Bernsteinzimmers. Ein Mammutprojekt, dessen letzte Bauphase im Zuge massiver Finanzierungsprobleme erst durch die millionenschwere Spende eines deutschen Energieunternehmens gesichert werden konnte.

Nach über 20 Jahren mühsamer Kleinarbeit war es den zuständigen Spezialisten schließlich gelungen, das Werk zu vollenden. Pünktlich zum 300. Geburtstag Sankt Petersburgs wurde das neue Bernsteinzimmer am 31. Mai 2003 feierlich der Weltöffentlichkeit präsentiert. Seither „lebt“ der Mythos wieder.

 

» Weiter mit Übersicht Museen in Sankt Petersburg