Neben all seiner Pracht und Schönheit ist Sankt Petersburg auch für seine Historie als Schmelztiegel revolutionärer Strömungen bekannt. Maßgeblich beeinflusst durch den ausschweifenden Lebensstil und das repressiv-autoritäre Herrschaftssystem der zaristischen Autokratie waren aufkommender Unmut und bewaffnete Aufstände an der Newa stets nur eine Frage der Zeit.
So geschehen 1825, als im Dekabristenaufstand zutiefst frustrierte Angehörige des Adels Zar Nikolaus I. die Gefolgschaft verweigerten. Sie rebellierten offen gegen Leibeigenschaft, Zensur und Willkürherrschaft.
Doch der Preis, den sie zahlten, war hoch. Die Rädelsführer starben am Strang, andere wurden degradiert oder zur Zwangsarbeit verbannt.
Dennoch nahmen revolutionäres Gedankengut und der Wille zum Widerstand in Teilen der Bevölkerung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts deutlich zu. Es kam zur Bildung mehrerer verschwörerischer Kreise, die auf Geheiß der Obrigkeit von der städtischen Gendarmerie mit aller Konsequenz verfolgt wurden – Leben im Untergrund.
Die Folge waren zahlreiche Attentate und politische Morde, denen im Jahr 1881 auch Zar Alexander II. zum Opfer fiel. Ein Sprengstoffanschlag der Geheimorganisation „Volkswille“ hatte sein Leben jäh beendet. Gleichzeitig war es einer jener vielen Nadelstiche, die rund drei Jahrzehnte später zum Zusammenbruch des Zarenreiches führen sollten. Bis es soweit war, sollte in den Straßen Sankt Petersburgs jedoch noch eine Menge Blut fließen.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag das Reich innenpolitisch am Boden. Im Volk bauschte sich die kritische Stimmung gegen staatliche Repressalien und Autokratie zu einer explosiven Meinungsmixtur auf. Ein rascher Sieg im russisch-japanischen Krieg (1904-05) sollte für die Obrigkeit zum erhofften Befreiungsschlag werden – doch es kam ganz anders.
Nachdem die russische Flotte bei Port Arthur eine vernichtende Niederlage hingenommen hatte, schwappte die erste Revolution des noch jungen Jahrhunderts über das Reich. Am 22. Januar 1905 unternahmen zaristische Soldaten in Sankt Petersburg den grausamen Versuch, das demonstrierende Volk mit Waffengewalt zur Raison zu bringen. Die Geschehnisse sollten als „Blutsonntag“ in die russische Geschichte eingehen.
Den Ernst der Lage nun endlich erkennend, willigte Zar Nikolaus II. in der Folge einem Teilverlust seiner Macht ein. Es kam zur Bildung des ersten russischen Parlaments (Duma), dessen politische Einflussmöglichkeiten jedoch noch stark begrenzt waren. Lediglich ein wenig Zeitgewinn für den Zaren…
Dann das Jahr 1917: In einem von Krieg und Elend ausgezehrten Russland kam es gleich zu zwei heftigen revolutionären Eruptionen; beide Male ausgehend von Sankt Petersburg. Bereits der erste Aufstand, die so genannte „Februarrevolution“, führte zur Abdankung des Zaren, dessen unsinniger Schießbefehl in großen Teilen der Garnison glücklicherweise nicht mehr befolgt wurde. Am 15. März unterzeichnete Nikolaus II. seinen Machtverzicht. Die Autokratie hatte sich selbst überlebt.
Die Stimmung in Petersburg und dem gesamten Reich blieb unterdessen explosiv. Die provisorisch installierte Regierung vermochte es nicht, die Lager zu einen. Im Kampf um die Macht standen ihr – d. h. den Bürgerlichen – die revolutionären Bolschewiken um Lenin und Trotzki gegenüber. Der Boden für die nächste gewaltsame Auseinandersetzung war damit bereitet.
In der Nacht zum 25. Oktober 1917 ertönte aus den Rohren des Panzerkreuzers Aurora, der im Petersburger Hafen vor Anker lag, der sprichwörtliche Startschuss zur Oktoberrevolution. Eine von Bolschewikenführer Leo Trotzki befehligte Streitmacht stürmte darauf die wichtigsten strategischen Punkte Sankt Petersburgs, was umgehend zur Kapitulation der noch jungen bürgerlichen Regierung führte.
Der von Sankt Petersburg ausgegangene Aufstand leitete radikale soziale, politische und wirtschaftliche Veränderungen ein, die im weltweit ersten kommunistisch regierten Staat – der Sowjetunion – münden sollten. Sankt Petersburg jedoch verlor nach rund 200 Jahren seinen Hauptstadtstatus an Moskau, der neuen Kapitale eines neuen Reiches.
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