Schon die Anfahrt hat es in sich: Wer die Schlüsselburg als Tagesziel auserkoren hat, reist am besten mit dem Bus an. Linie 576 startet ab der Metrostation Uliza Dybenko (gelbe Linie) im Südosten Sankt Petersburgs, um die rund 30 Kilometer lange Strecke in Angriff zu nehmen. Rasch stellt man fest, wie holprig die Autobahn Richtung Murmansk ist. Nach gut einer halben Stunde ist die erste Etappe absolviert – Schlisselburg, ein verschlafenes Städtchen direkt am Ladogasee.

Die Schlüsselburg, beliebtes Ausflugsziel am Ladogasee.

Nun geht es zum Hafen, wo ein Kutter zur Weiterfahrt bereitstehen sollte. Der Anblick des kleinen Bootes weckt in einem nicht gerade das Urvertrauen in die Seefahrt, was durch die Seelenruhe des Skippers jedoch mehr als egalisiert wird. 1 Euro pro Ticket, und der mit rund 10 Fahrgästen bereits völlig ausgelastete Kahn stemmt sich gegen die Strömung.

Die Schlüsselburg liegt auf einer maximal anderthalb Quadratkilometer großen Insel im Bereich der Newa-Mündung des Ladogasees. 10 Minuten schunkelnde Überfahrt, und die wuchtige, über Jahrhunderte hinweg heiß umkämpfte Feste füllt das Blickfeld des Betrachters fast vollständig aus. Das Ziel ist erreicht, und der magenschonende Teil des Tages kann beginnen.

Im Inneren der Schlüsselburg.

Das Areal wechselte im Laufe der Jahrhunderte häufig den Besitzer. Mal hatten die Schweden, mal die Russen, mal die Deutschen das Sagen – stets im Wissen um die strategische Bedeutung der Insel.

Im Großen Nordischen Krieg etwa wurde die Stellung für Peter den Großen schlicht und ergreifend ein „Schlüssel“ zur Eroberung der gesamten Region. Die Schweden waren besiegt, der Zar hatte sein Fenster zum Westen und gründete nur unwesentlich später seine Stadt – Sankt Petersburg.

Über die Zugbrücke geht es ins Innere des alten Gemäuers. Hier wird rasch klar, dass die Schlüsselburg im Geschichtsverlauf neben ihrer Wehrhaftigkeit noch andere Aufgaben erfüllen musste. Denn weite Teile des 18. und 19. Jahrhunderts diente die Festung als eines der berüchtigtsten Gefängnisse im Russischen Reich.

Die Zellen haben längst ausgedient, Info-Tafeln gedenken der zum Teil prominenten Häftlinge.

Bildnisse teils prominenter Ex-Insassen zieren die meisten Zellen – bedrückendes Zeugnis vergangener Tage. Allein der Gedanke daran, wie es hier einst zugegangen sein könnte, beflügelt die Phantasie aufs Extremste. Wie vielen Häftlingen es wohl vergönnt gewesen sein mag, diesen Ort wieder zu verlassen? Eine müßige Frage.

Zur Ruine wurde die Schlüsselburg indes erst im Verlauf des 2. Weltkriegs. Deutsche Truppen hielten während der Belagerung Sankt Petersburgs auch die Insel besetzt, woraus die (hoffentlich) letzte große Schlacht um den Fels am Rand des Ladogasees entbrannte. Letztlich musste sich die Wehrmacht auch hier dem Ansturm der Roten Armee geschlagen geben. Die Festung war nun endgültig in russischer Hand.

Die Überreste der alten Kirche, zerstört im 2. Weltkrieg. Heute ein Monument.

Heute herrscht auf der Insel dagegen das reinste Idyll. Es ist auffallend ruhig, von Massentourismus weit und breit keine Spur. Im Zentrum der Anlage dient eine kleine Kapelle als Gedenkstätte zu Ehren gefallener russischer Weltkriegssoldaten. Stets vertiefen Infotafeln auf Russisch oder Englisch das Gesehene. Es scheint, als habe die Insel mit sich und der Geschichte endlich ihren Frieden geschlossen. Wohl auch deshalb findet sie sich als Weltkulturerbe in den Listen der UNESCO wieder.

Die Schlüsselburg wird damit zu einem lohnenswerten Ausflugsziel inmitten einer wunderbaren Naturregion. Das Ganze ist von Petersburg aus an einem Nachmittag relativ locker zu bewältigen. Hinzu kommt eine leicht abenteuerliche Anreise; – an manchen Tagen genau das Richtige.

 

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