Architektonisch ist das mit 300 Jahren noch recht junge Sankt Petersburg stark von westeuropäischen Einflüssen geprägt. Gründungsvater Peter der Große hatte zu Beginn weder Kosten noch Mühen gescheut, die besten Städtebauer des Kontinents für sein ehrgeiziges Projekt anzuheuern. Es entsprach seinem Plan, dem russischen Reich in Rekordzeit einen äußerst repräsentativen Herrschaftssitz zu gewähren.

Imposanz als Triebfeder der Petersburger Architektur. Die wuchtige Isaaks-Kathedrale.

Gesagt, getan – begleitet von hohen menschlichen Verlusten machte sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein wahres Heer von Arbeitern daran, den architektonischen Planungen Taten folgen zu lassen. Das Ergebnis der Mühen dürfte weltweit nahezu einzigartig sein: So wurden seitens der UNESCO unlängst mehr als 2000 Gebäude der Petersburger Innenstadt zu schützenswerten Gütern der Architekturgeschichte erkoren – nicht enden wollende Pracht.

Stilistisch dominieren in erster Linie klassischer Barock (bis 1725), italienischer Barock (bis 1760) und Klassizismus (1760-1850). Aber auch Jugendstilelemente und Zweige des Historismus fügen sich hier und da fließend in das architektonische Gesamtkonzept ein. Maßgeblichen Anteil am Kunstgebilde Sankt Petersburgs hatten Baumeister wie A. Schlüter (1660-1714), B. F. Rastrelli (1700-1771) oder C. Rossi (1775-1849), womit jedoch nur die Spitze des Eisbergs genannt sein soll. Die Liste erlesener Architekten ließe sich noch eine ganze Weile fortsetzen.

Der Sommerpalast in einer zeitgenössischen Darstellung aus dem 18. Jahrhundert.

Als erste größere Ensembles der frühen Bauperiode entstanden die wuchtige Peter-und-Pauls-Festung (ab 1703) samt gleichnamiger Kathedrale (1712-33) sowie der Sommerpalast Peters des Großen und der Menschikow-Palast (beide um 1715). Es folgten die auf der Wassili-Insel gelegene Kunstkammer (1718-34) oder das Smolny-Kloster samt Kathedrale (1748-54).

Klassizistische Besonderheiten lassen sich mit der Kleinen Eremitage (1764-67), der Akademie der schönen Künste (1764-88) sowie der von 1783 bis 1787 erbauten Akademie der Wissenschaften ausmachen. Von Interesse ist darüber hinaus, dass es neben Stadtvater Peter I. (bis 1725) vor allem Katharina der Großen (ab 1762) zu verdanken ist, dass viele Bauprojekte ihren Abschluss fanden. Sie, so heißt es, vollendete das Petersburgische Gesamtwerk.

Der Jelagin-Palast samt Park im Norden des Stadtzentrums. Beliebtes Ziel für ausgedehnte Spaziergänge.

Jedoch zahlt die Stadt für ihre Exklusivität einen ungemein hohen Preis. Im Laufe der Sowjetzeit gerieten viele Bauten in einen optischen Zustand, den man als durchaus ruinös bezeichnen kann. Luftverschmutzung und Stadtverkehr hatten den Fassaden im Laufe der Jahre immer deutlicher zugesetzt. Für kostspielige Restaurationen fehlte stets das Geld.

Ein Glück nur, dass man in Petersburg zu dieser Zeit nicht auf die Idee gekommen ist, Kirchen und andere Gebäude von hohem Wert zu zerstören und durch die berüchtigten „Wunderwerke“ stalinistischer Prägung zu ersetzen. So geschehen in Moskau, dem man eine städtebaulich harmonische Linie heute in weiten Teilen absprechen muss.

Blick über den Fontanka-Kanal im Zentrum Sankt Petersburgs.

Im Vergleich zur russischen Hauptstadt jedenfalls wirkt Sankt Petersburg wie ein real existierendes Freilichtmuseum. Viele Bauten wurden mit hoher ästhetischer Präzision aufeinander abgestimmt – ein überwältigendes kulturelles Gut, dessen Erhalt in den letzten Jahren erfreulich weit oben auf der Agenda stand.

Im Zuge des sich anbahnenden 300. Geburtstags der Stadt begann man damit, sich für die zahlreichen Feierlichkeiten im Fokus der Weltöffentlichkeit herauszuputzen. Viele der äußerlich angegriffenen Prachtbauten wurden aufwändig restauriert, um anno 2003 wieder in altem Glanz zu erstrahlen.

Dennoch ist die Problematik des schleichenden Verfalls noch längst nicht gelöst. Die zwingend notwendige Privatisierung der Baubestände geht noch immer schleppend voran. Dabei müsste städtische Schönheit doch gerade in Sankt Petersburg als lohnenswerteste Investition des jungen 21. Jahrhunderts gelten.

 

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